Bäume vor dem Burnout

Hübsch anzusehen ist Herbstlaub im Stadtwald sicherlich. Doch für Bäume bedeutet das eine stressige Phase. Die Übergangszeit vom Sommer zum Winter ist für noch nicht verholzte Zweige gefährlich. Frühfrost kann durch das Wasser großen Schaden anrichten. Besonders nach trockenen Sommern wie in den letzten Jahren sind die Bäume angegriffen. Wälder in Städten haben es meist noch schwerer als solche  im ländlichen Raum. Sie sind erhöhten Schadstoffemission sowie höheren Temperaturen ausgesetzt. Gleichzeitig weisen urbane Gebiete oft geringere Niederschläge auf. Herr Dr. Somidh Saha vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schlägt zum Schutz der Vegetation Baumregister vor, mit denen Stadtbäume umfassend erfasst werden.

Einen weiteren Stressfaktor für Stadtbäume sieht Dr. Saha im unsachgemäßen Management der Bäume. Im Interview mit dem Earth System Knowledge Institute (ESKP) erklärt er die Gründe dafür. Durch Tunnel und Schächte haben Stadtbäume weniger Wurzelraum. Von oben sind sie ebenso eingeschränkt, denn durch Hochhäuser mangelt es dem Stadtwald oft an Sonnenlicht. Erschreckendes Ergebnis: Alleine im Jahr 2018 starben rund 30 Prozent der neu gepflanzten Bäume. „Baumpflanzungen in städtischen Gebieten kosten in Deutschland im Schnitt zirka 2.000 Euro pro Baum. Sie können sich vorstellen, was für einen finanziellen Verlust das Absterben neu gepflanzter Stadtbäume in Deutschland darstellt“, rechnet der Experte für Forstwirtschaft vor.


Leiden Bäume im Stadtwald, erhöht sich der Stress für Menschen

Neben den ökonomischen Faktoren sieht Dr. Saha psychische Folgeschäden für den Menschen, wenn Bäume leiden. „Eine aktuelle Studie von KIT-Forschern fand neurologische Beweise dafür, dass städtische Grünflächen psychische Erkrankungen beim Menschen reduzieren können“, berichtet der Experte im Interview mit dem ESKP. Viele Städter erholen sich im Stadtwald und schließen soziale Kontakte. Ein Fehlen solcher Orte kann daher mentalen Stress und Müdigkeit führen.

Zudem ist die Luftqualität von Grünflächen besser als an anderen innerstädtischen Orten. Das liegt daran, dass Bäume Gase wie Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid oder Ozon vorübergehend aufnehmen. Das Klima ist in Räumen mit vielen Grünflächen nachweislich kühler, denn Bäume absorbieren Sonnenstrahlung und beeinflussen das Rückstrahlvermögen von Oberflächen für Sonnenlicht. „Wenn der Stadtwald die Lufttemperatur senkt, kann das die Luftqualität allgemein verbessern. Denn die Bildung von Schadstoffen und/oder ozonformender Chemikalien ist generell temperaturabhängig“, führt Dr. Saha aus.


Zustand städtischer Bäume und Wälder durch Netzwerke überwachen

Aufgrund seiner positiven Auswirkungen fordert Dr. Saha besonderen Schutz für den Stadtwald. Momentan gibt es jedoch keine genaue Übersicht darüber, wie viele Bäume in den einzelnen Gebieten vorhanden sind. „In Karlsruhe haben wir derzeit zirka 354.000 Stadtbäume. Im Baumkataster werden jedoch nur etwa 136.000 Bäume durch das Gartenamt der Stadt überwacht“, kritisiert der Experte am Beispiel seines Heimatortes.

Sein Ziel ist daher ein nationales Netzwerk, um den Zustand der Stadtwälder langfristig zu überwachen. Bisher seien dazu angelegte Verzeichnisse nicht umfassend genug. So werde der Baumbestand auf Kirchenflächen oder Privatgrundstücken oft gar nicht erfasst. Zudem seien wichtige Daten auf unterschiedliche Behörden aufgeteilt und lägen nur in schriftlicher Form vor. Eine Auswertung  des Zustands der Stadtwälder ist somit fast unmöglich. „Die Entwicklung eines grundlegenden, gemeinsamen und definierten Datenerfassungsformats für alle Behörden und Bürger ist deshalb wünschenswert“, fasst Saha zusammen. Dabei sollte nicht nur der Standort genau lokalisiert werden, sondern auch die Verfassung des Baumes. Dies dient, abgesehen von der ökologischen Notwendigkeit, der Sicherheit – beispielsweise im Fall von Schadstellen an Ästen. Diese können leicht zu Unfällen führen oder den Verkehr behindern.


Reformbedarf in Sachen Baum-Management

Viele Stadtbäume fallen der städtischen Infrastruktur zum Opfer. Das Versprechen, andernorts Ersatz zu pflanzen, sieht der Doktor für Forstwissenschaft kritisch. Ein junger Setzling könne für den Stadtwald nicht dieselben Ökosystemdienstleistungen erbringen wie ein Jahrzehnte alter Baum. Zudem bemängelt Saha schlecht geplante Aufforstungsmaßnahmen. „Zum Beispiel ist es noch üblich, eine dürre-intolerante Art in einem Stadtgebiet zu pflanzen, in dem es Probleme mit Trockenheit gibt“, kritisiert der Experte aus Karlsruhe. Es müsse ein geordnetes Baum-Management geben, das Pläne zur Standortvorbereitung, der Artenauswahl, der Pflanzung, der Baumpflege, der Bewässerung enthält. Durch solche Standards sollte auch der Wurzelraum für neu gepflanzte Bäume festgelegt werden. Die Zusammenarbeit zwischen Kommunen sieht Saha neben verstärkter Forschung in dem Bereich als eines der Kernthemen zum Schutz urbaner Waldgebiete.

Ein Datenerfassungsformat hilft laut Dr. Sahas Forschungsgruppe in verschiedenen Bereichen. Zum einen würde der Stadtwald durch ein Baumregister kontrollierter bewässert. In einer entsprechenden Anwendung wären Faktoren wie Baumart, Dürreperiode, Baumgröße, Bestrahlung und Wasserspeicherkapazität von Boden oder Substrat hinterlegt. Des Weiteren wäre die Bepflanzung besser geplant. So entstünde bei Stadtwäldern eine gesunde Mischung aus dürreresistenten Arten, wie beispielsweise Eichen, und Bäumen, die stärker zum Temperaturausgleich beitragen. Die Menge an Bämen pro Quadratmeter ließe sich durch eine allgemeine Datenbank ebenfalls verbessern. Heutzutage seien städtische Wälder nämlich oft überbesetzt, so Saha. „Bäume in dichten Stadtwäldern stehen dadurch zunehmend in einem intra- und interspezifischen Wettbewerb um Wasser, Nährstoffe, Raum und Licht.“


Gezielt planen für widerstandsfähige Ökosysteme 

„Viele Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger empfehlen, Ökosysteme wie den Stadtwald widerstandsfähiger zu machen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren“, berichtet Saha aus dem Austausch mit Kollegen und seinem Forschungsteam. Dazu gehört es, auf neue Technologien zuzugreifen und diese zu fördern. Die richtige Infrastruktur dafür bietet die tablano Baumkontrolle. Nur so können die wachsenden Ansprüche an Dienstleistungen aus den Ökosystemen nachhaltig erfüllt werden. Digital und vernetzt sind Stadtwälder langfristig vor dem Burnout zu schützen.

 

 

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